Der Klassiker
Anfang der 1960er Jahre erschienen auf deutschen Volksfestplätzen die ersten Karussellanlagen des Typ „Twister”, die von einer niederländischen Maschinenfabrik und auch im schwäbischen Münsterhausen entwickelt und gebaut wurden. Twister sind hydraulische Sessellift-Karussells, die mit 12 Gondeln ausgestattet sind und die Fahrgäste in luftige 10 Meter Höhe befördern. Parallel zu den Twistern, die sich im Laufe der Jahrzehnte zu Volksfestklassikern entwickelten, brachte 1963 die Maschinenfabrik Klaus aus Memmingen eine größere Weiterentwicklung des Twister auf den Markt. Dieses war ein Karussell mit einem 16-teiligen Drehwerk mit 16 Hollywood-Gondeln, die durch eine hydraulische Scherenkonstruktion auf bis zu 16 Meter Höhe angehoben werden konnten. Dieser gewaltige Mittelbau bekam durch ein zusätzliches Drehwerk noch eine weitere Drehbewegung hinzu. Insgesamt wurden von der Firma Klaus sieben Exemplare dieses imposanten Karussells gebaut.
Am 5. April 1968 verließ das letzte von der Maschinenfabrik Klaus gebaute Allround mit der Fabrik-Nummer A127D die Werkshallen in Memmingen und wurde an seinen Besitzer Johannes Krug aus München ausgeliefert. Die Firma Krug betrieb dieses große und beeindruckende Familien-Rundfahrgeschäft über 40 Jahre lang auf führenden Volksfesten in Bayern und zog damit stets sowohl Mitfahrer als auch Zuschauer in seinen Bann. Der große Durchmesser, die enorme Fahrhöhe und die Eleganz der sich hebenden oder senkenden Scheren-Hubhydraulik, damals noch gepaart mit dem Anlassergeräusch des Dieselmotors, der die Hubhydraulik in Bewegung setzte, war in den ersten Jahrzehnten des Karussells außergewöhnlich und faszinierend, und auch heute noch übt dieser Karusselltyp seine Anziehungskraft auf Liebhaber von nostalgischen Hochfahrgeschäften aus.
Zum Jahr 2013 wechselte das Allround A127D seinen Besitzer und wird seitdem von der Familie Franz Kollmann aus Dingolfing auf besonderen Volksfesten im bayerischen Raum betrieben. Kollmanns, die einen Autoskooter, den „Euro-Skooter“, mehrere Imbissgeschäfte und eine Weihnachtspyramide betreiben, bereisen mit dem Allround die Traditionsplätze, auf denen das Karussell teilweise schon seit über 40 Jahren zum festen und beliebten Stamm des Publikums gehört. Highlights in der Saison sind der Gillamoos-Jahrmarkt in Abensberg, der Barthelmarkt in Oberstimm/Manching, das Gäubodenfest in Straubing und Volksfeste in Waldkraiburg, Amberg, Weiden, Ruhmannsfelden, Mallersdorf-Pfaffenberg und Grafenwöhr.
Katja und Franz Kollmann, die mit ihren Kindern Mascha, Marlon und Franz jun. den 50 Jahre alten, sehr gemütlichen und von der Firma Zierer gebauten Kassenwagen als „Familientreffpunkt“ benutzen, haben das Karussell technisch und optisch auf den Best-Zustand gebracht und in Anbetracht des historischen Charakters des Karussells nur sehr behutsam moderne LED-Lichttechnik eingesetzt. Der Dieselmotor wurde schon vor vielen Jahren von der Firma Krug durch einen umweltfreundlichen Elektromotor ersetzt, der Optik wegen wurde aber der Dieselkühler und die Haubenverkleidung am Mittelbau belassen.
Es bleibt zu hoffen, dass dieser Karussell-Klassiker noch lange seine Runden dreht und Fahrgäste aller Generationen mit wunderbaren Karussellfahrten erfreut.
Text: Uwe Holzmann, Lehrte/Hannover (freier Mitarbeiter der Kirmes & Park Revue/Gemi Verlag Reichertshausen)